LRS-Förderung


Die Fähigkeit sicher Lesen und Schreiben zu können ist heutzutage wichtiger denn je. Diese Qualifikation ist sowohl im Schulalltag, als auch in der Berufslaufbahn, sowie im Privatleben unerlässlich um am sozialen Leben erfolgreich teilzunehmen zu können. Doch viele Menschen haben im Bereich des Lesens und Schreibens große Schwierigkeiten, die sich nicht selten unerkannt bis ins Erwachsenenalter hineinziehen. In der Fachliteratur und in der Wissenschaft werden dafür unterschiedliche Begriffe verwendet, die zum Teil jedoch synonym verwendet werden. Im Folgenden wird hier der Begriff Lese-Rechtschreibschwäche (Abk.: LRS) verwendet, da er das Vorliegen einer Lernschwäche in den Bereichen des Lesens und Rechtschreibens beschreibt. Zudem hat er sich im pädagogischen Bereich und in der amtlichen Sprachregelung der Schulbehörden etabliert. Seit dem Jahr 1895 wird das Phänomen einer LRS von der Wissenschaft, der Medizin und der Pädagogik erforscht und es wurden viele Erkenntnisse gewonnen. Dies führte bis heute zu Neuerungen der LRS-Erlasse, welche die Schulen im Hinblick auf die Förderung und Leistungsbewertung der betroffenen SuS mit in die Pflicht nehmen. Heutzutage wird eine LRS als ein spezielles Versagen beim Erlernen des Lesens und der Rechtschreibung bei besserer allgemeiner Intelligenz definiert. Das Thema LRS ist im Schulalltag, sowohl in der Grundschule, als auch in der Sekundarstufe I täglich präsent. Denn eine LRS beeinflusst das Lernverhalten der Kinder in allen Schulfächern und die Förderung ist somit nicht allein Aufgabe des Faches Deutsch.


Nicht jedes Kind, das Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens hat, leidet an einer LRS. Betroffene Kinder haben trotz genügendem Unterricht und ausreichender Förderung im Elternhaus, verglichen mit ihren gleichaltrigen Mitschülern, deutlich schlechtere Ergebnisse in diesen Bereichen. Sie können häufig viel schlechter lesen, verstehen das Gelesene kaum, sie machen sehr viele Schreibfehler und ihre Texte sind im Nachhinein z.T. nicht einmal mehr von ihnen selbst zu entziffern. Da das Kind die gemachten Fehler nicht erkennt, kann es sie somit auch nicht verbessern. Das Abschreiben von Wörtern ist hingegen wesentlich seltener problematisch und gelingt korrekt und ordentlich. Die meisten Schulanfänger haben anfangs Probleme beim Lesen und Schreiben, aber bei LRS-Kindern dauern diese Phasen wesentlich länger. Kinder mit einer späteren LRS haben häufig bereits in der Vorschule eine Sprachentwicklungsstörung. In der Grundschule wird dann meist die LRS festgestellt, da die Kinder beispielsweise große Probleme beim Erlernen der Buchstaben und mit der Graphem-Phonem-Korrespondenz haben, sowie starke Lesestörungen aufweisen. Einige haben zudem Störungen der Feinmotorik, sodass die Schrift nahezu unleserlich und die Schreibgeschwindigkeit langsam ist. In der Sekundarstufe I und im Erwachsenenalter zeigt sich die LRS jedoch häufig durch Rechtschreibstörungen und Regelfehler bzw. durch Nichtbeachtung der Ausnahmen. Kinder, bei denen die LRS vergleichsweise spät festgestellt wurde, weisen häufig eine relativ gute Intelligenz auf. Besonders in den ersten Schuljahren, können überdurchschnittlich begabte Kinder ihre Schwächen durch Strategien wie Auswendiglernen, verbergen. Diese Strategien sind jedoch beim Schreiben freier Texte und ungeübter Diktate nicht mehr anwendbar, sodass die Schwächen zu diesem Zeitpunkt bemerkt werden. Da Kinder nicht nur im Fach Deutsch mit dem Lesen und Schreiben konfrontiert werden, haben sie beispielsweise auch bei Textaufgaben in Mathematik große Schwierigkeiten. Demnach können sich die Probleme auf alle Schulfächer übertragen, was häufig zu weiteren Problemen bei den betroffenen Kindern führt. Somit fallen sie oft erst durch psychische Probleme (z.B. Schulangst, mangelndes Selbstwertgefühl), Störungen des Sozialverhaltens (z.B. Aggressivität, Wutanfälle) und psychosomatische Beschwerden (z.B. Übelkeit Bauchschmerzen an Schultagen) auf. Daher ist auch bei solchen Auffälligkeiten an eine LRS zu denken.


Unter dem linguistischen Förderaspekt gibt es verschiedene Trainingsprogramme, die einzeln oder in Kleingruppen, durch Lernhilfen und mehrfaches Wiederholen die Lese-Rechtschreib-Strategien festigen sollen. Dabei ist es wichtig, dass die Förderung dem individuellen Leistungsstand des Kindes angepasst wird. Viele Programme beinhalten Sprech- und Hörübungen, sodass die Aufteilung in Worte, Silben, Laute und Buchstaben trainiert wird. Danach üben die Kinder das Lesen und Schreiben lautgetreuer Wörter und erst dann, das Rechtschreiben und die Ausnahmen. Die Gesamtschule Emmerich hat sich für das Programm der lautgetreuen Lese-Rechtschreibförderung nach Carola Reuter-Liehr entschieden. Dieses sprachsystematische Förderprogramm vermittelt durch konsequentes strategiegeleitetes Lernen dem Kind schrittweise Lese- und Rechtschreibstrategien. Damit wird eine bewusste und eigenständige Kontrolle der Schriftsprache möglich. Es soll zuerst die alphabetische Strategie, also das lautgetreue Lesen und Rechtschreiben gefestigt werden, damit darauf die orthographische Strategie, das Regel- und Speichertraining, aufgebaut werden kann. Das Programm orientiert sich am Entwicklungsprozess des Schriftspracherwerbs und berücksichtigt den Entwicklungsstand des Kindes bei Beginn der Förderung. Das Konzept verfolgt vier Grundprinzipien, welche sich beim Motivationsaufbau und bezüglich der Erfolgssicherung bewährt haben. Mit dem Prinzip „Erfolge von Anfang an“ sollen Misserfolge vermieden und die Lernmotivation erhalten bleiben. Weitere Prinzipien lauten „Vom Häufigen zum Seltenen“ sowie „Vom Leichten zum Schweren“, da 60% des deutschen Grundwortschatzes aus lautgetreuen Wörtern bestehen. Dies wird trainiert und Abweichungen der Schreibstrategie werden dabei integriert. Zuletzt gilt das Prinzip „Alles dient der Strategievermittlung“, bei dem die Kinder Strategien im Umgang mit der Schriftsprache immer wieder üben, verinnerlichen und auch außerhalb der Fördersituation anwenden. Dieses Konzept stellt somit ein integratives Behandlungskonzept dar, welches Schriftaufbau, Wort- und Textmaterial und den Lernprozess unterstützende und steuernde Methoden, sowie therapeutische Unterstützung verbindet. Ein wesentlicher Teil des Konzepts ist beispielsweise das rhythmische Syllabieren („Silbenschwingen“), welches beim Sprechen eines lautgetreuen Wortes nach bestimmten Bewegungsvorgaben durchgeführt und so vom ganzen Körper erfahren wird. Dieses Wort wird dann beim Mitsprechen aufgeschrieben, wobei durch das „Schwingen“ die Silbenpausen deutlich werden und z.B. Doppelkonsonanten erfasst werden. Zudem werden Silbenbögen unter die Wörter gemalt, erneut selbstständig rhythmisch erfasst und dabei lesend kontrolliert. Diese Methode sollte natürlich möglichst früh eingesetzt werden, aber auch in der Sekundarstufe erzielt sie erfolgreiche Ergebnisse und wird von den Kindern mit Freude angenommen. Ergänzt wird das Förderprogramm durch gezielte Leseübungen.